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kunstraum niederoesterreich

SOCIAL GLITCH

Radikale Ästhetik und die Konsequenzen extremer Ereignisse

Kuratiert von: Sylvia Eckermann, Gerald Nestler, Maximilian Thoman

 

  1. Eine Ausstellung im KUNSTRAUM NIEDEROESTERREICH 25 09 - 05 12 2015
    mit Projekten im öffentlichen Raum Wiens und in Zusammenarbeit mit TONSPUR Kunstverein Wien und WUK.performing.arts

 

WERKE NEXT > Marc Lombardi (USA)

 

Mathias Kessler (AT/USA)

 

Mathias Kessler, Ausstellungsansicht, Foto: Eva Würdinger

 

Sylvia Eckermann

Restaging Narratives, Matewan, 2012 – ongoing, video still © Mathias Kessler

Mathias Kessler (AT/USA)

 

Hidden Agendas: Jarrells Cemetery, N37º53.96' W81º34.71', Eunice Mountain, West Virginia, 2012

Detail eines Friedhofs – Tintenstrahldruck auf Tapete

Impact CF034499, West Virginia, 2012

Tintenstrahldruck auf Tapete

Restaging Narratives Matewan, 2014 – laufend

Medien-Collage, variable Filmstandbilder, Installation mit Projektoren oder TV-Gerät. Vier Narrative, eine Geschichte: eine Nachstellung des Matewan-Massakers in den 1920er-Jahren in Matewan, WV; gefilmt in 2012, 2013 und 2014, kombiniert mit Aufnahmen aus dem Hollywoodfilm Matewan (1987) unter der Regie von John Sayles.

 

Am 19. Mai 1920 traf die Baldin Felts Detective Agency in Matewan ein, um Familien zu vertreiben, die bei einer Kohlenmine gelebt hatten. Der Polizeichef Sid Hadfield intervenierte im Namen der Bergarbeiter, und der Streit endete im bekannten Matewan-Massaker – einer Schießerei, die auf beiden Seiten zahlreiche Menschenleben forderte.

Kessler reist häufig nach Matewan, um die historischen Sozialkämpfe ebenso zu untersuchen wie die moderne Tabletop-Abbaupraxis, bei der ganze Bergkuppen entfernt werden, um raschen und kostengünstigen Zugang zu den darunterliegenden Kohleflözen zu gewinnen. Diese aggressive Form des Tagebaus hinterlässt eine Spur der Verwüstung, die der Künstler als eine Art Ressourcen-Gentrifizierung beschreibt, deren Kriterium der Bedarf an Energie und anderen Materialien für die wachsenden urbanen Megacities ist. In West Virginia werden ganze Dörfer geopfert und in die Luft gejagt, um an die Kohle zu kommen.

Kessler kombiniert seine Fotos mit Digital Mapping Programmen auf Basis von Algorithmen zu großen, malereiähnlichen Tableaus. Der Algorithmus erzeugt eine diskontinuierliche, teilweise erfundene Kartographie der fotografierten Landschaft. Anhand dieser Arbeiten untersucht ein Video narrative Strukturen und wie Geschichte geschrieben und inszeniert wird. Das laufende Filmprojekt nimmt Bezug auf die Schießerei und deren jährliche Wiederaufführung. Über vier Zeitachsen aufbereitet, sehen die Zuschauer die eigentliche Wiederaufführung am 19. Mai 2010, eine Probe im Jahr 2011, eine Sonderaufnahme für Kessler im Jahr 2014 und Ausschnitte aus John Saylers Film Matewan.

Die fortgesetzte Beschäftigung Kesslers und anderer mit den Bergarbeitern und den Aktivisten ermöglichte neue Kommunikationskanäle über soziale Gräben hinweg. Die Gemeinde hat ein Mining War Museum (Bergbau-Kriegsmuseum) eröffnet und hat andere Initiativen ergriffen, die den Tourismus und die einheimischen Unternehmen in dieser wirtschaftlich darniederliegenden Stadt unterstützen. Für Kessler ist "das Kunstwerk eine Konversation, deren Risse und Ritzen sich zu neuen Realitäten hin öffnen."